Festivalfieber in Andalusien: Ein Ukulele-Spieler auf Abwegen
- Patrick Vosen
- 16.10.2024
20.4.2024
Es ist 02:00 Uhr morgens, als wir in Trebujena ankommen. Meine spanische Freundin Alicia ist 6 Stunden von Madrid aus durchgefahren. Wir haben nur zwei Stops eingelegt, weil Jorge, der Schlagzeuger aus Alicias Band, und ich “für kleine Jungs” mussten.
Morgen (oder besser gesagt heute) treten die “De Perdidas Al Río” auf und ich darf als Groupie dabei sein! Die Fahrt passt perfekt in meine Reiseplanung, da ich im Anschluss weiter nach Portugal reisen möchte. Der Rest der Band kommt erst am Vormittag an, wir sind also vorerst zu dritt.
Alicia parkt auf dem Parkplatz vor einer großen Turnhalle, die extra von der Gemeinde für die Künstler des Fests reserviert ist. Bevor wir uns zu Bett legen, wollen Ali und Jorge unbedingt noch ein Bier trinken.
Nächtliche Erkundung und unerwartete Bekanntschaften
Also schlendern wir durch die Kleinstadt mitten in Andalusien mit ihren ca. 7.000 Einwohnern und suchen das Festivalgelände in der Innenstadt. Trebujena ist bekannt für seinen Weinanbau, die Produktion von Sherry und vor allem für die vielen Feste!
Wir finden das geschmückte Stadtzentrum mit seinen leergeräumten Ständen, obwohl es gibt noch einen Stand, der zur späten Stunde Bier verkauft. Um ihn herum stehen Einheimische, die ganz endeutig schon einen zu viel intus haben. Einer spricht uns an und gibt uns ein Bier aus. Es ist der Besitzer der Bar von Gegenüber, der nach einem umsatzreichen Tag nun seinen Gewinn bei der Konkurrenz ausgibt, bevor es morgen weiter geht.
Er spricht einen so starken andalusischen Dialekt, dass selbst Alicia und Jorge nicht immer verstehen, was er meint. Aber anscheinend erzählt er auch eine Menge Blödsinn, der die zwei regelmäßig zum Lachen bringt. Erneut lädt er uns auf ein Bier ein und ist ganz amüsiert, als ich erneut nach einem Wasser frage. Seitdem nennt er mich nur noch “Agüita”, was so viel wie “Wässerchen” bedeutet. Er scheint mich trotz meines Alkoholverzichts zu mögen und möchte mich zum Patenonkel seines Sohns machen.
Rückkehr und improvisierte Schlafstätte
Erst gegen 4:00 Uhr gehen wir zur Turnhalle zurück. Die gepflasterten, engen Straßen mit ihren weißgetünchten Häusern sind wunderschön. Die Stille der Nacht wird nur vom Wasserplätschern der Männer gestört, die genau an diesen schönen Häusern ihre Notdurft verrichten.
An der Turnhalle angekommen versuchen wir, so leise wie möglich unsere Luftmatrazen mit einer viel zu kleinen Luftpumpe aufzublasen, ohne die anderen dabei zu wecken. Es gibt zwar Trennwände in der Halle, aber viel Privatsphäre gibt es nicht. Mücken schwirren um uns herum, während wir versuchen einzuschlafen.
Ein typisch spanisches Frühstück
Um 10:30 Uhr wache ich auf und gehe duschen, während Alicia und Jorge zu einem Orgatreffen eilen, weil die Bandleaderin und Sängerin Lucia noch nicht da ist. Alicia ist mit dem Auto dorthin gefahren, kommt aber nach 10 Minuten zurück, weil sie keinen Parkplatz gefunden hat. Also warten wir zu zweit auf Jorge und gehen anschließend in eine Bar frühstücken. Ja, in Spanien geht man dafür in eine Bar.
Wir bestellen uns Getränke in viel zu kleinen Gläsern und getoastetes Brot mit Olivenöl und reifen Tomatenfleisch, genannt “Tostada con tomate” - ein beliebtes Frühstück im Land. Anschließend kundschaften wir das Festivalgelände bei Tage aus und suchen die Bühne, auf der die Band heute Nachmittag auftreten wird.
Die letzte Stärkung vor dem Auftritt
Wir treffen auf Lucia, die gerade mit ihren Eltern angekommen ist und uns allen “Künstler”-Anstecker und einen Essensgutschein gibt. Mittlerweile ist die Band komplett. Daraufhin holen wir uns ein Getränk in der Bar von dem Mann, den wir in der Nacht kennengelernt und der mich “Agüita” genannt hat.
Wir laufen von einem Ort zum nächsten und landen schließlich in den Kellerräumen eines Cafés, wo wir unsere Essensgutscheine einlösen können. Es gibt ein kleines Buffet und ich bin überrascht - es ist alles vegetarisch! Das Lokalfernsehen ist auch da und interviewt unsere Leadsängerin, während wir essen. Gut gefüllt gehen Alicia, Lucias Vater und ich zur Turnhalle zurück. Dort steigen wir in sein Auto und fahren mit allen Instrumenten im Kofferraum zur Bühne.
Technische Herausforderungen vor dem Auftritt
Während wir das Bühnenset aufbauen, ist auf einmal gar nicht klar, ob die Band auftreten kann. Die Elektrik vor Ort ist defekt und die Bühne hat keinen Strom. Zum Glück lässt sich das Problem jedoch lösen.
Allerdings scheinen die Bühnentechniker nicht sehr professionell zu sein. Sie bauen zwar Lautsprechertürme für das Publikum auf, allerdings keine Monitorboxen. Das wird die Band noch vor Herausforderungen stellen.
Der große Moment: Die Band betritt die Bühne
Die Bühne ist etwas abseits vom Stadtzentrum, dafür aber sehr groß und der Platz ist groß genug für ein paar Hundert Leute. Um 17:15 Uhr geht es los und die Band stellt sich in einen Kreis - und holt überraschenderweise auch mich dazu.
Einmal Teil einer Band zu sein, ist ein Traum von mir. Und in diesem Moment fühle ich diesen Traum. Es gibt noch ein paar motivierende Worte und Anweisungen, bis alle Hände in die Mitte gehen und sie auf die Bühne gehen.
Ich bin aufgeregt, besonders für Alicia. Es ist ihr erster Auftritt mit der Band.
Die Musik erobert das Publikum
Doch die Aufregung verfliegt bald und ich bin hin und weg von der Energie, die mir von der Bühne entgegenkommt. Schon beim ersten Lied fangen die Leute an zu tanzen. Mit ihrer lebensfrohen Ska-Musik ist es auch schwer, still zu bleiben.
Das Publikum wächst und wächst, während Lucias Vater und ich filmen. Das Lokalfernsehen ist auch wieder da. Ohne Monitorboxen haben die “De Perdidas Al Río” es zwar schwer, sich selbst zu hören. Dafür springt Lucia mit ihrem Bruder einfach vor die Bühne und spielen ihre Posaunen dort.
Die Band hat von unserer Zeit in Trebujena ein Musikvideo erstellt. Schaue es dir gern an!
Festivalstimmung und ein unerwartetes Bierbad
Nach dem Auftritt bauen wir ab und lassen den Abend bei Essen und vielen Getränken ausklingen. Wir wechseln ständig die Location und schauen uns andere Künstler an. Es wird immer voller auf den engen Straßen und irgendwann bleiben wir in der Menschenmenge stecken.
Irgendjemand schupst und ehe ich mich versehe, werden wir alle von einer Bierdusche erwischt. Ich werde müde und verabschiede mich vorzeitig von der Truppe. Ich bin dankbar, dass ich Teil der Band sein darf. Aber jetzt soll die Band auch unter sich sein können, finde ich. Zurück in der Turnhalle bin ich der erste und kann mich ohne Rücksicht auf andere fürs Bett fertigmachen.
Die anderen kommen erst um 1:00 Uhr nachts zurück. Aber da träume ich schon längst von meiner eigenen Band in der fernen Zukunft.
Reflexionen
Der Abend in Trebujena hat mir gezeigt, wie Musik Menschen zusammenbringen kann - egal ob als Musiker auf der Bühne oder als Zuhörer im Publikum. Es hat mich in meiner Entscheidung bestärkt, die Ukulele als Brücke zu nutzen, um auf meiner Reise interessante Menschen und neue Kulturen kennenzulernen. Wer weiß, vielleicht finde ich ja eines Tages meine eigene internationale Ukulele-Band? Mit Posaunen :)
Möchtest du dir mehr Musik von den “De Perdidas Al Río” anhören? Hier sind die Links!