Ein Besuch in Madrid: Ein Tag voller Wiedersehen und Entdeckungen

Ein Besuch in Madrid: Ein Tag voller Wiedersehen und Entdeckungen

14.4.2024

Die Nacht im Flixbus von Toulouse nach Madrid ist anstrengend. Dieses Mal muss ich im Sitzen schlafen. Mein Platz ist direkt vor der Bustoilette. Immer wieder wache ich auf, weil andere Mitfahrer mich anstoßen, wenn sie auf die Toilette gehen. Meine Sitznachbarin geht um 01:00 Uhr nachts zur Tankstelle und kommt mit einer Packung Chips zurück, die sie genüsslich verspeist. Ich habe Nackenschmerzen, aber zumindest schnarcht niemand. Ich kann es kaum erwarten, meine gute Freundin Alicia in Madrid wiederzusehen.

Ankunft in Madrid

Der Bus kommt pünktlich um 08:45 Uhr am Busbahnhof an. Ich brauche etwas Zeit, um mich in dem unübersichtlichen Busbahnhof zu orientieren. Als ich die Metrohaltestelle finde, kaufe ich mir ein 10er-Ticket, das günstiger ist, als ich erwartet habe. 6,10 € kosten die 10 Fahrten plus 2,50 € für die Karte. Ich brauche insgesamt eine Stunde bis zu ihrer Metrohaltestelle und muss einmal umsteigen. Alicia wohnt in einem Wohnviertel etwas außerhalb von Madrid. Dafür ist man sehr schnell in der Natur, was in einer Großstadt echter Luxus ist (vor allem zu Covid-Zeiten). Es ist morgens noch recht kühl, aber heute sollen es 28°C werden. Als ich mich Alicias Haus nähere, steht sie schon auf der Straße und läuft mir freudig entgegen. Sie umarmt mich fest und ich rieche ihr Shampoo – sie riecht gut! Wie ich wohl nach der Fahrt riechen muss? Alicia stört es nicht. Ich bin richtig froh, sie wiederzusehen!

Erinnerungen aus Thailand

Alicia und ich kennen uns aus dem Kloster in Thailand. Zwar durften wir dort nicht miteinander sprechen, aber schon vom Sehen waren wir uns sehr sympathisch. Jeden Tag verbrachten wir viele Stunden in derselben Meditationshalle und motivierten uns dadurch, immer wieder noch eine Meditationseinheit einzulegen. Vor meiner Abschlusszeremonie gab ich ihr einen kleinen Zettel mit meiner Handynummer und wir trafen uns im Anschluss in Chiang Mai und erkundeten zusammen auf einem Moped Nordthailand. Wir erinnern uns bei einem schnellen Frühstück an die Zeit dort und ich lerne ihre Eltern kennen. Alicia lebt bei ihren Eltern, was in Spanien ganz normal ist, vor allem in Madrid. Die Mietpreise in der Stadt sind astronomisch hoch und viele junge Leute können es sich einfach nicht leisten, in einer eigenen Wohnung zu leben.

Die “De Perdidas Al Río”

Ali (ihr Spitzname) muss sich schnell verabschieden. Heute trifft sie sich zur Generalprobe mit der Band, die sie kürzlich aufgenommen hat. Die “De Perdidas Al Río”, was sinngemäß bedeutet “in den sauren Apfel beißen” oder “alles auf eine Karte setzen”. Sie treten Ende dieser Woche bei einem Festival in Südspanien auf. Sie haben mich eingeladen, sie auf der Reise zu begleiten, wo ich direkt zugesagt habe! Die Musik der Gruppe ist ziemlich gut! Wer einmal reinhören möchte, hier ist der Link zu meinem Lieblingslied: De Perdidas Al Río - Lieblingslied

Ein herzlicher Empfang bei Alis Familie

Ihr Vater, Alvaro, zeigt mir mein Zimmer. Dort befindet sich auch Alis Klavier und Alvaros Modellflugzeugsammlung, die er mir stolz präsentiert. Alle Modelle hat er selbst gebaut, eine Leidenschaft noch aus seiner Kindheit. Alvaro ist schon in Rente, war früher jedoch viel in der Luftfahrtbranche tätig und musste deshalb oft nach Toulouse. Ich nehme eine langersehnte Dusche und lege mich danach für eine kurze Zeit schlafen. Als ich aufwache, ist Ali immer noch weg und ich nutze die Zeit, um mich mit ihrem Vater anzufreunden. Alis Großmutter und ihr Onkel kommen zum Mittagessen vorbei und wir warten gemeinsam auf Alis Rückkehr. Als sie zurückkommt, geht der große Mittagsschmaus los. Alvaro ist ein begnadeter Koch und verwöhnt uns insgesamt zwei Stunden lang mit feinster Kost. Es gibt leckeren Salat mit Fischeiern, leckeren Schmelzkäse aus Westspanien, dann gegartes Hühnchen in Paprika (für mich Linsensuppe) und zum Nachtisch Erdbeeren mit Schlagsahne. Nach vier Gängen bin ich so satt wie zuletzt Zuhause in Deutschland. Alvaro erklärt uns am Essenstisch, warum er kein Deutsch gelernt hat, obwohl er viele Jahre mit Deutschen zusammenarbeitete und oft in Hamburg und München war.

Ich kann keine Sprache lernen, wo es ‘DAS Mädchen’ heißt und ‘Kindergarten’ oder ‘Baumschule’. Warum gehen Kinder in den Garten und Bäume in die Schule? Ich verstehe es nicht.

Wir müssen viel lachen und ich bin dankbar, für die kurze Zeit ein Teil dieser wunderbaren Familie zu sein.

Erkundung von Madrid

Alicia und ich wollen heute noch etwas die Stadt erkunden. Während sie sich fertig macht, kommt ihre Schwester mit ihrem kleinen Sohn vorbei, der ein bisschen mit mir spielt. Am späten Nachmittag brechen wir auf und erkunden gemeinsam Madrid. Es ist mein erstes Mal in der spanischen Hauptstadt. Das letzte Mal war ich mit der Schule in Spanien, das ist nun schon 14 Jahre her. Madrid beeindruckt mich mit seiner Größe. Wir spazieren gemeinsam durch den Retiro-Park, in dem Ali viel Zeit während ihres Studiums verbracht hat. Ali ist professionelle Pianistin und arbeitet zurzeit als Klavierlehrerin. Sie erzählt mir, dass sie im Sommer ein Gesangsstudium anfangen möchte. Singen ist eine große Leidenschaft von ihr, die sie endlich weiterverfolgen möchte. Wir sprechen darüber, wie privilegiert wir momentan sind, so frei unseren Weg zu gehen und unser individuelles Glück zu suchen. Ich mit meiner Reise und sie mit ihrer Musik.

Bild aus Madrid
Bild aus Madrid
Bild aus Madrid

Gespräche über das Leben und Glück

Gemeinsam spazieren wir zum Plaza Mayor und suchen uns ein kleines Café in der Nähe, wo wir viel über unsere Erkenntnisse aus der Zeit im Kloster sprechen. Im Kloster schien so vieles einfacher zu sein. Die Erkenntnisse aus den Meditationen in unser normales Leben zu implementieren, fällt uns allerdings schwer. Nach dem Kaffee schlendern wir pünktlich zum Sonnenuntergang zum Palacio Real, wo wir uns im Park zwischen Gruppen von Studierenden auf die Wiese setzen und über das Glück reden. Ali erzählt mir, was das Glück für sie bedeutet:

Ich empfinde Glück, wenn das Leben im Gleichgewicht ist. Das ist momentan nicht so, aber ich bin auf einem guten Weg.

Ich muss auf meiner Reise länger über diesen Satz nachdenken. Denn es fällt mir sehr schwer, mein Leben auf Reisen im Gleichgewicht zu halten. Immer gibt es Ablenkungen, neue Orte, neue Menschen, neue Eindrücke und Unsicherheiten. Irgendwie muss ich einen Weg finden, Stabilität in meine Reise zu bekommen.

Über den Nutzen von sozialen Medien

Wir unterhalten uns noch ein wenig über den Nutzen von sozialen Medien. Ali hatte für eine lange Zeit überhaupt gar keine sozialen Medien, noch nicht einmal WhatsApp! Trotzdem hatte sie engen Kontakt zu ihren Freunden und war über alle Treffen informiert. Smartphones sind für sie das ultimative Mittel gegen Langeweile – dabei ist Langeweile eigentlich ziemlich wichtig für uns. Wenn die Langeweile zu groß wird, stehen wir auf und ändern etwas an unserer Situation.

Ein ereignisreicher Tag geht zu Ende

Als die Sonne weg ist, kühlt es schnell ab und wir müssen unsere Jacken anziehen. Auf dem Rückweg nach Hause spielen wir Schach in der Metro und gehen erst komplett erschöpft ins Bett, als ich um halb 2 Uhr nachts am Küchentisch von ihr matt gesetzt werde. Was für ein ereignisreicher Tag! Ich bin Ali sehr dankbar, dass sie mich zu sich eingeladen hat. Der morgige Tag wird sehr entspannt. Aber vor allem freue ich mich auf Dienstag: Da findet der wöchentliche Ukuleleklub in Madrid statt. Ich bin gespannt!

Veröffentlicht am: 7.8.2024