RAOUL - Ein besonderer Ukuleleabend
- Patrick Vosen
- 20.6.2024
8.4.2024
Bevor ich von dem absolut fantastischen Abend berichte, möchte ich dir kurz von meinem Ukulelehintergrund berichten. Warum mache ich überhaupt so eine Tour mit meiner Ukulele? Und wie hat meine Ukulelegeschichte begonnen?
Wie ich zur Ukulele gekommen bin
Das erste Mal hatte ich 2012 eine Ukulele in der Hand. Während meines Freiwilligendienstes in Russland hat eines Tages mein Mitbewohner Jörn eine Plastikukulele nach Hause gebracht. Er hat ein wenig darauf gespielt und irgendwie hatte das Instrument was. Es ist handlich, leicht zu lernen (zumindest anfangs) und macht immer gute Laune. Bald hatte ich die Basisakkorde gelernt und konnte bei unseren Sommercamps ein bisschen spielen. In Deutschland habe ich mir eine eigene Ukulele gekauft, aber habe sie nur gelegentlich benutzt. Da ich mit YouTube gelernt habe, kam ich oft an meine Grenzen und verlor die Motivation. Erst seit diesem Jahr (2024) bin ich wieder voll dabei, auch weil sich die Umstände geändert haben. Ich habe tolle Lehrer aus Hawaii gefunden, die mich auf meiner Ukulelereise begleiten. Darüber hinaus habe ich Vorbilder gefunden, zu denen ich aufschaue. Ich möchte ein professioneller Ukulelespieler werden - das ist mein Ziel! Was heißt das konkret? So gut werden, wie meine Vorbilder: Craig Shee und Sarah Meisel (meine Ukulelelehrer) oder Taimane oder Jake Shimabukuro. Träumen darf man ja noch!
Als ich meine Reise plante, war mir klar, dass die Ukulele nicht fehlen darf. Als meine Lehrer anfingen, Techniken für Ukuleleklubs vorzuführen, fing ich an, eben diese in meiner Region zu suchen. Tatsächlich gibt es in Bonn einen Ukuleleklub. In Köln sogar zwei! Zeitlich passte mir der Klub in Bonn am besten und ich stattete ihn vor meiner Abfahrt einen Besuch ab. In einem getrennten Raum eines Pubs schrammten wir (ungefähr 20 Personen) ca. 4 Stunden auf unseren Instrumenten. Zum ersten Mal lernte ich andere Ukulelespieler kennen. Mein Hunger war geweckt! Für meine Reise habe ich nach Ukuleleklubs in Paris recherchiert und bin als Erstes auf die Facebook-Gruppe von RAUL gestoßen, die sich immer montags in einem Café trifft. Der erste Schritt ist gemacht und meine Weltreise hat eine neue Mission: Die Ukulele-Communities der Welt zu entdecken und mich als Spieler zu verbessern. Aber jetzt zurück nach Paris.
Ein Ort, an dem jeder RAOUL heißt
Das Café ist nur 20 Minuten zu Fuß von meinem Hostel entfernt. Aus Sicherheit gehe ich früher los und bin eine Viertelstunde zu früh. Etwas nervös stehe ich auf der anderen Straßenseite und denke: “Was, wenn mein Französisch nicht ausreicht? Bin ich unangemeldet überhaupt willkommen?” Ich hole tief Luft, überquere die Straße und betrete das Café. Ein paar Menschen sitzen an den Tischen und die Bedienung lächelt mir zu. Aber ich sehe keine Ukulelen. Bin ich hier überhaupt richtig? Ich schaue nach rechts und sehe vier Personen, die eifrig an einem PC arbeiten. Könnte das RAUL sein? Ich nähere mich langsam und einer der vier schaut mich an. Er entdeckt meine Ukulele und spricht mich mit einem Lächeln auf Französisch an. “Je ne parle pas français”, sage ich und das Eis ist gebrochen. Überrascht fragen sie mich auf Englisch, wie ich sei gefunden habe. Mathias, der Leiter der Gruppe, erklärt, dass sie gerade an einer landesweiten Webseite für die französische Ukulelecommunity arbeiten. Perfekt, ich habe hier also genau die richtigen Leute getroffen. Um 19 Uhr trudeln mehr Leute mit ihren Ukulelen ein, aber musiziert wird erstmal nicht. Mathias erklärt mir, dass sie erstmal eine Stunde gemeinsam zu Abend essen und miteinander quatschen. Sobald das gemeinsame Musizieren beginnt, bieten sich kaum Gelegenheiten dazu. Ich habe großes Glück, denn gegenüber von mir nimmt Carine Platz. Sie humpelt wegen einer Fußverletzung ein wenig, aber strahlt eine große Lebensfreude aus. Wir bestellen etwas zu Essen und kommen ins Gespräch. Intensiv unterhalten wir uns über unsere Ukulelegeschichten, sie spricht sogar ziemlich gut Deutsch. Anfangs war Ihre Ehefrau gegen eine Ukulele im Haus, aber mittlerweile akzeptiert sie das Instrument und sie machen sogar zusammen Musik. Besonders begeistert bin ich, als sie mir von ihrem ersten Auftritt erzählt. Vor ein paar Jahren war sie mit einer Gruppe auf Reisen in Usbekistan. In einem kleinen Ort sah sie eine Näherin auf der Straße und dachte sich: Komm für diese Frau spiele ich ein kleines Konzert. Obwohl sie sich gegenseitig nicht verstanden, entstand durch die Musik doch eine Verbindung zwischen den beiden. Carine hat mehrere Ukulelen dabei, eine davon sogar selbstgemacht und elektrisch. Als jemand mit einem Verstärker ankommt, wird die E-Ukulele gleich einmal ausgetestet. Dank Carine und Mathias fühle ich mich sehr wohl. Carine stellt mich allen Neuankömmlingen vor und auch Mathias zeigt mir seine selbstgemachte Ukulele. “In Toulouse gibt es einen Workshop, bei dem du in 2 Tagen deine eigene Ukulele bauen kannst”, berichtet er mir. Ca. 500 € kostet der Spaß. Vielleicht später einmal, träume ich.
Aus dem Ukuleleklub wird ein Konzert
Um 20 Uhr kommt plötzlich Bewegung in die Gruppe. Tische und Stühle werden aufeinandergestapelt und Notenständer aufgestellt. Ich fühle mich, als würde ich immer im Weg stehen. In Deutschland saßen wir alle an unseren Tischen beim Spielen. Hier scheint alles anders zu sein. In der Ecke stimmt jemand seine Bass-Ukulele, in der anderen baut ein anderer sein modifiziertes Cajon auf. Als ich die Akkorde sehe, wird mir schwindelig: Bb, C#, Ab, usw. Das sind nicht unbedingt Anfängerakkorde. Langsam wird mir klar, dass das hier kein normaler Ukuleleclub ist. Hier wird performt. Und zwar für die anderen Gäste des Cafés! Ein wenig steigt die Aufregung in mir auf. Carine erklärt mir, dass sie jede Woche ein anderes Songbuch nehmen. Als wir loslegen kommt richtig Stimmung auf. Kinder versammeln sich vor uns und schauen uns stundenlang beim Spielen zu. Es ist mein erster Auftritt mit meiner Ukulele und es macht sehr viel Spaß! Wir spielen englische Lieder, aber auch sehr viele französische. Es läuft im Prinzip so: Nach jedem Song wirft jemand eine Liednummer in den Raum und dann wird gespielt. Ich bin noch etwas schüchtern, auch wenn mich Carine immer wieder dazu drängt, mir ein Lied zu wünschen. Ein paar Lieder kriege ich danach nicht aus dem Kopf: “Can’t get you out of my head”, “Honky tonk women”, “Lemon tree”. Aber auch französische, die ich noch nie vorher gehört habe. Insbesondere gefällt mir ein Lied über die französischen Verkehrsmittel namens “Petit Cheminot”.
Das ist erst der Anfang
Über den Abend kommen und gehen die Leute. Auch Carine verabschiedet sich bald. Sie ist noch nicht ganz fit und muss sich etwas ausruhen. Aber sie verspricht mir, dass sie mir heute noch ein paar Tipps für die Stadt und Informationen zu den anderen Ukuleleklubs in Paris zuschickt. Während des Abends lässt mich Mathias auf seiner selbstgebauten Ukulele spielen. Das ist eine schöne Erfahrung. Irgendwann geht auch dieser Abend zu Ende. Mathias schenkt mir ein paar RAUL-Aufkleber, die ich stolz auf die Rückseite meiner Ukulele klebe. Normalerweise klebe ich keine Sticker auf meine Instrumente, aber für die Reiseukulele finde ich die Idee ganz schön. Ich komme mit Helene ins Gespräch, die ein zentraler Bestandteil von RAUL zu sein scheint und sich erstmal mit dem Namen Raul vorstellt. Sie ist sehr interessiert an meiner Ukulelereise und erzählt mir von ihrem Leben. Helene spielt in einer Ukuleleband und hat 14 Ukulelen Zuhause. Später gehen wir mit Mathias vor die Tür, der zugibt, über 20 Ukulelen zu besitzen. Endlich treffe ich auf richtige Ukulelenerds! Sie erzählen mir, dass sich am Mittwoch der Ukuleleklub “Rendev’Uke” trifft und am Donnerstag auf einem Boot das “Cabaret du uke” stattfindet. Was für ein Glück! Wir quatschen noch ein bisschen, bis ich mich von den beiden verabschiede. Ich bin erstaunt, wie aktiv die Ukulele-Community in Frankreich ist. Durch den Regen laufe ich zurück zum Hostel Aber das ist mir egal: Ich bin glücklich! Dort angekommen, verlängere ich meinen Parisaufenthalt und falle erschöpft ins Bett.
Hier ein paar nützliche Links zur Ukulele-Community in Frankreich: